Zen und die Kunst, ein Boot zu warten

Im Bereich der technischen Ursachenforschung gibt es bekanntlich eine Reihe von Fallstricken. So können Ursachen, Wirkungen und Symptome zeitlich und räumlich weit auseinanderfallen, was das Erkennen des Zusammenhangs erschwert, wenn man nicht aktiv danach fahndet.

Ein weiterer populärer Trugschluss liegt im „post hoc ergo propter hoc“, in dem der Analyst den koinzidentiellen Sachverhalt als ursächlich identifiziert. Und in anders gelagerten Fällen wird die Möglichkeit von sich überlappenden Problemstellungen übersehen. Man kann eben auch Läuse UND Flöhe haben, wobei diese Parallelstränge in der Folge zu Interaktionen neigen, abgesehen davon, dass sie auf gemeinsame Wurzeln zurückgehen: Mangelnde Hygiene und Qualitätsanspruch, zusammen mit Nachlässigkeit bei der Wartung und dem Fehlen einer aufmerksamen Beobachtung.

Eine derartige Lektion wurde dem Autor zuteil. Der Peilstab für das Getriebeöl des Hurth-Wendegetriebes zeigte ein blankes Nichts, und während des Nachfüllens schraubte sich der Ersatzbedarf auf die Höhe der Standardfüllmenge. Offenbar hatte der Eigner mit einem über drei Jahre unnötig vernachlässigten Routinecheck das Getriebe in die Grütze gefahren. Zumindest war das die Einschätzung am Ende des Tages, weil sich mit dem Tag der Ölstandskorrektur in der Stellung „Maschine Rückwärts“ erstmalig ein sehr hässliches, aus dem Getriebebereich stammendes Kratzen einstellte und reproduzieren ließ.

Die servobetätigte Lamellenkupplung fasst in dieser Stellung offenbar nicht mehr ganz, und die Vermutung war, dass das Öl die zwischenzeitlich entstandenen Späne remobilisiert und an die falschen Stellen transportiert hatte. Ohne weitere Schaltvorgänge zu tätigen, schlich er am nächsten Tag langsam im Flachwasser von Cuxhaven nach Hamburg zurück, den Anker zum Fallen bereit, um nicht mit Manövrierunfähigkeit als latenter Seenotfall in Erscheinung zu treten. Er reifte der Entschluss, ein Ersatzgetriebe zu beschaffen.

Die Saison ging ohne Vollzug des Getriebeumbaus zu Ende, und der Eigner freute sich beim herbstlichen Einsatz des Hochdruckreinigers, wie leichtgängig doch der auf den Propeller gerichtete Strahl der Lanze die ganze Welle in Bewegung zu setzen vermochte.

Die ganze Welle? Bei näherer Begutachtung zeigte sich, dass von einem festen Sitz des Propellers keine Rede sein konnte: Er dreht frei schlackernd auf der Welle und erzeugt dabei das schabende, dem Getriebe zugeschriebene Geräusch aus dem Frühsommer. Erst jetzt wurde der Prüfer hellwach und konnte die Sache zuordnen. Das Getriebe-Problem entpuppt sich als eines des Propeller-Kraftschlusses auf dem Wellenkonus. Ein leichter manueller Druck nach vorn lässt den Propeller wieder greifen. Und so ist die Erfahrung des Einkuppelns auf „Maschine Vorwärts“ auch stets unauffällig verlaufen. Es bleibt aber erstaunlich, damit fahren zu können. Und heil angekommen zu sein.

Was lernt man? Ein Getriebedefekt liegt nicht unmittelbar vor; im weiteren Sinne aber vielleicht schon, wenn man bedenkt, dass die beim Einkuppeln wirkenden Drehmomente in den zwanzig Jahren zuvor NICHT zu Störungen geführt haben. Hätte die Propellerbefestigung der Wartung bedurft? Nun, ohne einen schiefen Vergleich ziehen zu wollen: Radmuttern am Auto werden üblicherweise auch nicht periodisch kontrolliert.

Und manches lässt sich dann nur durch rechtzeitige Zerlegung feststellen. Die Rostspuren und bröseligen Reste der abgescherten Passfeder, die sich in der Nut von Propeller und Welle fanden, deuten auf die Verwendung von ordinärem Stahl hin. Tendenziell ein Kunstfehler: Wenn diese Passfeder tragend montiert worden ist, terminiert sich die Kraftübertragung durch den Fortschritt der Korrosion selbsttätig.

Es braucht eben recht lange, bis man jeden Winkel seines Zossens kennt…..